Warum der öffentliche Nahverkehr beim Bezahlen endlich umdenken muss
Es ist 7:30 Uhr morgens, eine Pendlerin öffnet die App ihres Verkehrsbundes: „Lädt” – Die Frau versucht es erneut, doch die Zahlung schlägt fehl. Der Zug fährt ab – ohne sie.
Solche Szenen spielen sich täglich im deutschen Nahverkehr ab. Während man per Smartphone Geld sendet, Fotoalben teilt oder ein Taxi ruft, fühlt sich der Ticketkauf oft wie ein Rückschritt in analoge Zeiten an.

Das Problem liegt selten an der Benutzeroberfläche, sondern an der veralteten Zahlungsinfrastruktur im Hintergrund. Denn jede digitale Erfahrung wird am besten Erlebnis gemessen. Und wenn der Bezahlvorgang hakt, geht nicht nur Umsatz verloren, sondern auch Vertrauen.
Die Frage ist also nicht, ob die Zahlungsprozesse modernisiert werden müssen, sondern wie lange sich der ÖPNV noch leisten kann, damit zu warten.
Zahlungen sind die Zukunft des ÖPNV
Zahlungen sind längst keine Hintergrundprozesse mehr – sie prägen maßgeblich das Nutzererlebnis. Die Erwartungen sind hoch: Laut der Visa-Studie Future of Urban Mobility (2021) wünschen sich 88 % der Fahrgäste kontaktlose Bezahlmöglichkeiten. Die Realität sieht jedoch anders aus: Nur 15 Prozent der Ticketverkäufe im städtischen Nahverkehr erfolgen digital – im Vergleich zu 80–90 Prozent bei Fluggesellschaften und dem Fernverkehr auf der Schiene.
Gerade in Deutschland ist diese Diskrepanz besonders auffällig. Zwar bieten 80 Prozent der deutschen Städte digitale Zahlungsmethoden für Verwaltungsleistungen an, doch nur 5 Prozent ermöglichen mobile Zahlungen für ÖPNV-Tickets – so der Smart City Index 2022 des Bitkom. Die Technologie ist also längst vorhanden – sie wird nur im Nahverkehr kaum eingesetzt.
Das hat gravierende Folgen. Vier zentrale Schwachstellen setzen den deutschen Verkehrsverbünden zu:
Zahlungsausfälle in Spitzenzeiten
Veraltete Systeme sind den Anforderungen digitaler Zahlungsprozesse oft nicht gewachsen. Besonders im Berufsverkehr stoßen sie an ihre Grenzen – Zahlungen scheitern, Tickets werden nicht gekauft. Die Zahlen sprechen für sich: 97 Prozent der Städte akzeptieren EC-Karten im ÖPNV, aber nur 67 Prozent Kreditkarten – und lediglich 5 Prozent bieten mobile Bezahloptionen an (Bitkom, 2022). Der Schaden geht dabei über den bloßen Umsatzverlust hinaus: 44 Prozent der Deutschen haben laut Bitkom schon einmal auf Mobilitätsangebote verzichtet, weil die App nicht funktionierte. 73 Prozent wünschen sich mehr Auswahl beim Bezahlen.
Datensilos statt Übersicht
Online- und Offline-Vertrieb laufen meist auf getrennten Systemen. Abomodelle wie das Deutschlandticket erschweren zusätzlich die Abrechnung und Berichterstattung. Die Folge: Es gibt keine einheitliche Sicht auf den Kunden – und auch keine Transparenz über technische Störungen in Echtzeit.
Missbrauch durch SEPA-Zahlungen
Das SEPA-Lastschriftverfahren ist anfällig für Betrug – Rückbuchungen sind bis zu acht Wochen nach dem Ticketkauf möglich. Der Schaden ist enorm: Allein in Nordrhein-Westfalen wurden laut WDR seit Einführung des Deutschlandtickets über 10.000 Betrugsfälle gemeldet – mehr als die Hälfte der Verkehrsunternehmen ist betroffen. Betrüger:innen kaufen mit gestohlenen Kontodaten gültige Tickets und verkaufen sie weiter – die aktuellen Systeme erkennen solche Muster nicht, weil sie nicht auf abonnementbasierte Betrugsrisiken ausgelegt sind.
Unzufriedene Kund:innen und Imageschäden
Fehlgeschlagene Zahlungen, unflexible Optionen und mangelhafter Support führen zu Frust und zu negativen Bewertungen. Das beschädigt den Ruf der Betreiber und schreckt potenzielle Fahrgäste dauerhaft ab.
Was den Wandel bremst – und wie er dennoch gelingt
Viele Verkehrsunternehmen wollen ihre Zahlungssysteme modernisieren, doch der Weg dorthin ist oft steinig. Drei zentrale Hürden stehen dem Fortschritt im Weg:
Veraltete Verträge blockieren die Zukunft
Zahlreiche Betreiber hängen in langjährigen Verträgen mit überholten Dienstleistern fest. Ausschreibungsprozesse ziehen sich über Monate, fragmentierte Budgets verzögern Investitionen. Und die nötige Hardware, von neuen Zugangsschranken bis zu kontaktlosen Kartenlesern, ist teuer. Auch die Erneuerung der Systeme im Hintergrund erfordert Ressourcen, die oft fehlen.
Komplexe Systemlandschaften erschweren Integration
Unterschiedliche Betreiber, Tarifmodelle und Backend-Systeme müssen miteinander harmonieren; eine gewaltige Aufgabe. Viele Verkehrsunternehmen arbeiten noch mit isolierten Datensystemen, die nicht miteinander kommunizieren. Für nahtlose Zahlungsprozesse braucht es offene Schnittstellen (APIs) und eine durchgängige Systemkompatibilität – beides bieten ältere Lösungen nicht.
Strenge regulatorische Anforderungen
Zahlungslösungen müssen hohen Standards gerecht werden – darunter die Vorgaben von BaFin, PCI DSS und DSGVO. Datenschutz und Datensicherheit sind Pflicht, und neue Systeme müssen Compliance von Anfang an mitdenken.
Der Ausweg: Strategisch modernisieren statt alles auf einmal umkrempeln
Die Lösung liegt in flexiblen, modular aufgebauten Zahlungssystemen. Sie lassen sich per API in bestehende Strukturen einbinden, erfüllen regulatorische Anforderungen von Haus aus und ermöglichen eine schrittweise Umstellung, ohne den laufenden Betrieb zu stören.
Der Weg nach vorn: Bezahlsysteme als strategischer Hebel
Wer digitales Ticketing erfolgreich gestalten will, muss Zahlungen als strategisches Element der Fahrgastbindung und Systemeffizienz verstehen. Der Weg dahin führt über vier zentrale Handlungsfelder:
Modulare, skalierbare Lösungen
Offene, API-basierte Plattformen lassen sich flexibel in bestehende Systeme integrieren und wachsen mit den Anforderungen. Das verringert die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern und ermöglicht schrittweise Modernisierung – ohne Systembruch.
Sicherheit und Compliance mitdenken – von Anfang an
Moderne Bezahllösungen bringen integrierten Betrugsschutz, Risikomanagement in Echtzeit und vollständige regulatorische Konformität mit – für sicheren Umsatz und das Vertrauen der Fahrgäste.
Den Menschen in den Mittelpunkt stellen
Reibungslose, verlässliche Bezahlprozesse steigern nicht nur die Conversion-Rates, sondern reduzieren Beschwerden und fördern die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Was einfach ist, wird auch genutzt.
Daten sinnvoll nutzen – für laufende Optimierung
Zeitgemäße Systeme liefern Echtzeitdaten und schaffen damit die Basis für bessere Entscheidungen: vom Kapazitätsmanagement über individuelle Services bis hin zur langfristigen Fahrgastbindung.
Wie modernes Bezahlen wirklich aussieht
Eine zeitgemäße Zahlungsinfrastruktur ist mehr als funktional – sie ist unsichtbar im besten Sinne. Sie verarbeitet hohe Transaktionsvolumina mühelos, erkennt Betrug in Echtzeit und bietet eine konsolidierte Sicht auf alle Vertriebskanäle. Für Fahrgäste bedeutet das: einfach einsteigen, bezahlen, ankommen – ohne nachzudenken.
Dass es funktioniert, zeigen europäische Vorreiter:
- Die Niederlande haben 2023 das weltweit erste landesweite Open-Loop-Bezahlsystem eingeführt. Ob Bus, Bahn, Tram oder Metro – Fahrgäste können mit jeder Bankkarte oder einem Smartphone an über 55.000 Terminals einchecken und durchs ganze Land reisen. Ohne besondere Verkehrskarten, ohne Geldwechsel, ohne Automaten.
- London demonstriert, was nachhaltiger Erfolg bedeutet: 71 Prozent aller Pay-as-you-go-Fahrten erfolgen heute kontaktlos. Allein in der U-Bahn werden täglich rund 500.000 mobile Zahlungen getätigt: ein Plus von 35 % seit der Pandemie.
Die Botschaft ist klar: Verkehrsunternehmen stehen vor einer Entscheidung. Entweder sie investieren in Zahlungssysteme, die zur digitalen Realität von heute passen oder sie riskieren das Vertrauen ihrer Fahrgäste und damit ihre Zukunftsfähigkeit.
Die Zeit der „halbwegs ausreichenden“ Lösungen ist vorbei. Fahrgäste erwarten mehr. Und sie haben längst Alternativen. Wer das früh erkennt, verschafft sich einen echten Wettbewerbsvorteil im Mobilitätsmarkt von morgen.
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