NPL-Verkaufsstrategien deutscher Banken: Trends und Erkenntnisse
Hohe Energiepreise, Inflation und eine schwache Wirtschaft belasten Unternehmen; die Insolvenzzahlen erreichten 2024 den höchsten Stand seit 2009. Insbesondere der gewerbliche Immobilienmarkt steht unter Druck.

Marktüberblick: Steigende NPL-Bestände in schwierigem Umfeld
Die notleidenden Kredite nehmen in Deutschland wieder zu. Laut aktueller Umfragen beobachten die meisten Banken bereits steigende NPL-Bestände und rechnen mit einer Fortsetzung dieses Trends. Im Sommer 2024 lag der NPL-Klimaindex (analog zum ifo-Index) bei 0,45, was auf einen aktiven Markt mit wachsendem NPL-Volumen hindeutet. Besonders gewerbliche Immobilienfinanzierungen (CRE) und KMU-Kredite gelten als Problemsegmente, in denen deutliche NPL-Anstiege erwartet werden. Insgesamt wurde für Ende 2024 ein NPL-Gesamtvolumen von rund 40,2 Mrd. € angegeben – mit weiterem Anstieg auf 41,0 Mrd. € bis Ende 2025.
Die konjunkturelle Lage trägt zu diesem Trend bei
Hohe Energiepreise, Inflation und eine schwache Wirtschaft belasten Unternehmen; die Insolvenzzahlen erreichten 2024 den höchsten Stand seit 2009. Insbesondere der gewerbliche Immobilienmarkt steht unter Druck: Die Preise sanken 2024 deutlich, was zu 56 % mehr notleidenden CRE-Krediten (9,7 Mrd. €) führte. Auch in der Unternehmensfinanzierung steigen die Ausfälle – die NPL-Quote für Firmenkredite kletterte bis Q1 2024 bereits auf 3,1 %. Expert:innen gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung 2025 fortsetzt, zumal viele krisenbedingte Hilfen auslaufen und höhere Zinsen die Schuldentragfähigkeit belasten. Laut aktuellem NPL Barometer steigen die NPL Volumina weiterhin an mit dem Fokus bei 60 Milliarden Euro bis 2026 zu landen.
Strategien der Banken: Verkauf vs. interne Bewältigung
Traditionell hatten deutsche Banken relativ niedrige NPL-Quoten und setzten stark auf interne Restrukturierung und langwieriges Workout. Doch mit zunehmendem Druck gewinnen Portfolioverkäufe an Bedeutung. Im letzten Jahr hat die Zahl der NPL-Portfoliotransaktionen laut BKS-Umfragen bereits leicht zugenommen.
Für die kommenden 12 Monate rechnen die befragten Institute sogar mit einer deutlichen Zunahme von Verkäufen und Auslagerungen an Servicer.
Trotzdem zeigt sich hier eine gewisse Zurückhaltung.
Viele Häuser fühlten sich zwar gut aufgestellt, zögerten jedoch noch bei der aktiven Vorbereitung von NPL-Verkäufen. Ein Grund ist, dass einige Banken weiterhin auf interne Lösungen setzen.
Auf der anderen Seite erkennen viele Institute die Vorteile von Verkäufen. Entsprechend erwarten 71 % der Marktteilnehmer EU-weit in den nächsten zwei Jahren einen Anstieg der NPL-Bestände und sehen verstärkt Bedarf, diese rasch abzubauen.
Ziele und strategische Motive
Ziel |
Beschreibung |
Bilanzentlastung |
Durch Auslagerung oder Verkauf von NPLs kann die Eigenkapitalquote verbessert und regulatorischer Druck reduziert werden. |
Kostensenkung |
Externe Servicer arbeiten oft kosteneffizienter – durch Skaleneffekte, Automatisierung oder Spezialisierung. |
Fokus auf Kerngeschäft |
Banken lagern nicht-strategische Aktivitäten (z. B. kleinteilige Beitreibung) aus, um sich auf Kreditvergabe, Vertrieb und Kundenbindung zu konzentrieren. |
Wertmaximierung |
Professionelle Servicer können durch angepasste Strategien höhere Rückflüsse erzielen als interne Workout-Einheiten. |
Vor allem große internationale Finanzinvestoren spielen eine zentrale Rolle. In einer EU-Umfrage nannten 75 % der Institute internationale Schuldenfonds als die wichtigsten Käufer von NPL-Portfolios (lokale Distressed-Investoren wurden nur von 30 % genannt)
Diese Investoren – häufig Private-Equity-Gesellschaften oder Spezialfonds – verfügen über das Kapital und die Expertise, um auch große Pakete zu übernehmen. Für die Banken bedeutet das Zugang zu einem breiten Investorenmarkt, in dem sie für verschiedene Assetklassen spezialisierte Käufer finden können. Ein klarer Trend ist die feingliedrige Segmentierung der Portfolios: Banken schnüren gezielt Pakete (etwa reine CRE-Kreditportfolios, unbesicherte Konsumentenkredite etc.), um sie an darauf spezialisierte Erwerber zu verkaufen. Dieser “Tailoring”-Ansatz erhöht die Attraktivität der Pakete und somit den Kreis potenzieller Bieter.
Preisgestaltung und Timing von NPL-Transaktionen
Die Preisfindung am NPL-Markt spiegelt die angespannte Lage wider. Banken müssen beim Verkauf von Kreditportfolios derzeit deutlich höhere Abschläge akzeptieren.
NPL-Bewertungen sind in den letzten Monaten weiter gefallen – die Mehrheit der befragten Banker berichtet von sinkenden Geboten für ihre Portfolios. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen (Erwartungswert 0,63 für weiter fallende Preise).
Hauptgründe sind der wachsende Verkaufsdruck und höhere Risikoabschläge der Käufer: Regulatorschriften (wie der NPL-Backstop) zwingen Banken zum Abbau notleidender Kredite, was ihre Verhandlungsposition schwächt. Gleichzeitig verlangen Investoren wegen der unsicheren konjunkturellen Aussichten höhere Renditen, drücken also die Kaufpreise. In der Praxis bedeutet dies, dass aktuell oft nur 20 bis 40 % des Nominalwerts für stark ausgefallene Kredite erzielt werden können (je nach Besicherung und Qualität der Dokumentation). Eine sorgfältige Aufbereitung der Kreditdaten bleibt daher entscheidend, um bessere Gebote zu erhalten.
Timing: Wann ist der beste Zeitpunkt, um NPLs zu verkaufen?
2024 war geprägt von Abwarten und rechtlichen Unklarheiten. Insbesondere die verspätete Umsetzung der EU-Richtlinie über Kreditdienstleister und -käufer in deutsches Recht führte zu Verzögerungen. Das neue Kreditzweitmarktgesetz (KrZwMG) ist zwar zum 30. Dezember 2023 in Kraft getreten, jedoch mussten sich viele Marktteilnehmer erst darauf einstellen. Einige geplante Portfolioverkäufe wurden deshalb auf 2025 verschoben, um die neuen Lizenzierungs- und Meldepflichten abzuwarten. Kurzfristig dürfte dieses Gesetz also für Zurückhaltung gesorgt haben.
Mittlerweile besteht jedoch mehr Klarheit: Die Lizenzpflicht für Kreditservicer ist definiert und ein einheitlicher EU-Rahmen geschaffen. Marktexpert:innen erwarten, dass nun viele der aufgeschobenen Deals in 2025 nachgeholt werden. Laut BKS Barometer ist dies auch schon der Fall: Der Fokus liegt auf 60 Milliarden Euro NPLs bis in 2026.
Die regulatorische Förderung des NPL-Verkaufs – etwa durch harmonisierte Standards und eine EU-weite Servicer-Zulassung – sollte künftig den Handel mit problembehafteten Krediten erleichtern. Für Banken heißt das, 2025 könnte ein Jahr reger Transaktionsaktivität werden, sofern die Konjunktur nicht neue Schocks bereithält.
Auch Strukturierungen gewinnen an Komplexität
Neben klassischen direkten Verkäufen treten vermehrt Forward-Flow-Vereinbarungen (laufende Abtretung neuer NPLs an einen Partner) und Joint Ventures mit Spezialinvestoren auf den Plan. Solche Modelle bieten den Banken teils höhere Beteiligungen an künftigen Erlösen, erhöhen aber die Verhandlungsdauer. Insgesamt gilt: Transparenz und Wettbewerb sind Schlüsselfaktoren für erfolgreiche Deals. Ausschreibungsverfahren mit mehreren Bietern erhöhen erfahrungsgemäß den Erlös.
Zudem achten Käufer angesichts steigender Zinsen stärker auf Portfolioqualität und klare Datenaufbereitung, bevor sie bieten – ein gut vorbereitetes Datenraum und granularer Portfoliozuschnitt zahlen sich aus.
Erfolge messen: Kapitalentlastung und Rückgewinnung
Ein erfolgreicher NPL-Verkauf zeigt sich letztlich in verbesserten Kennzahlen der Bank. Wesentlich ist die Senkung der NPL-Quote, was die Bilanzrisiken reduziert. Durch den Abbau von Problemkrediten verringert sich unmittelbar das ausfallgefährdete Portfolio, was die Eigenkapitalquote (CET1) entlastet. Verkauft eine Bank z. B. ein faules Kreditpaket, muss sie dafür weniger Risikokapital vorhalten – die CET1-Quote steigt und schafft Luft für neues Geschäft. Ebenso können Risikovorsorge und Wertberichtigungen zurückgefahren werden: Nach IFRS 9 sind hohe Rückstellungen für notleidende Kredite nötig; wer diese Kredite ausbucht, senkt die Loan-Loss-Provisions und entlastet die GuV.
Einige deutsche Banken haben auf diese Weise ihre NPL-Quoten stabil niedrig gehalten – die robuste Durchschnittsquote von ~2 % (gegenüber zweistelligen Raten in früheren Krisen) zeugt von der Wirksamkeit aktiver Portfolio-Bereinigungen.
Neben der Bilanzwirkung spielt die Rückgewinnungsrate eine Rolle. Hier zeigt sich oft der Vorteil spezialisierter Investoren: Professionelle NPL-Käufer und Servicer verfügen über optimierte Inkassoprozesse und datengestützte Strategien, um aus notleidenden Forderungen noch möglichst viel einzutreiben. Studien weisen darauf hin, dass dies oft zu höheren Recovery Rates führt als eine rein interne Bearbeitung der Bank erzielen könnte. Zwar realisiert die Bank beim Verkauf nur den (diskontierten) Kaufpreis, doch wenn dieser dank effizienter Servicer höher ausfällt, profitiert sie indirekt von deren Expertise. Zudem vermeiden Banken durch schnelle Verkäufe hohe Folgekosten (Rechtsstreitigkeiten, Verwaltung) und Cost-to-Collect-Aufwendungen im eigenen Haus. In Summe kann eine kluge Verkaufsstrategie also den wirtschaftlichen Verlust aus ausgefallenen Krediten begrenzen und die Rückflussquote optimieren.
Schließlich sind auch qualitative Erfolge zu nennen: Die Aufsicht und der Markt honorieren ein proaktives NPL-Management. Banken mit konsequentem Abbau notleidender Kredite stärken ihren Ruf für solide Risikosteuerung und erhalten im Zweifel mehr Handlungsspielraum von den Regulatoren. Beispielsweise betont die Bundesbank die Bedeutung eines widerstandsfähigen Finanzsystems; ein zu hoher NPL-Bestand würde Gegenmaßnahmen provozieren.
Professionalisierung des NPL-Marktes
Der deutsche NPL-Markt befindet sich im Umbruch. Nach Jahren sehr niedriger Ausfallraten rücken notleidende Kredite wieder in den Fokus – getrieben durch wirtschaftliche Unsicherheit und spezifische Sektorkrisen (v. a. Immobilien). Deutsche Banken reagieren darauf mit einer Mischung aus Vorsicht und Aktivität: Immer mehr Institute ziehen Portfolioverkäufe als strategische Option in Betracht, auch wenn interne Lösungen parallel ausgebaut werden. Benchmarking-Daten zeigen, dass die meisten großen Banken 2024/25 zumindest einen Teil ihrer Problemkredite abgeben wollen. Preislich müssen dabei Abstriche gemacht werden, da Käufer risikobewusster bieten und der Regulator Verkaufsdruck erzeugt. Doch die Vorteile überwiegen: schnelle Entlastung der Bilanz, höhere Erlöse dank Spezialisten und Erfüllung der strengen Kapitalvorgaben.
Nicht zuletzt verbessert ein aktives NPL-Management die Krisenfestigkeit des gesamten Sektors. Für 2025 wird ein agierender NPL-Markt mit steigenden Dealzahlen erwartet – ein spannendes Feld für Banken, Investoren und Servicer gleichermaßen.
Nachhaltiges Forderungsmanagement
Inkasso erfordert Empathie: Wir stellen den Menschen ins Zentrum unserer Strategie und können damit bessere Ergebnisse für alle Beteiligten erzielen.
